Gott gab den Europäer das Geld und den Latinos die Zeit ...

Benjamin Franklin ("Time is money!") war offensichtlich kein Latino, sonst wären die Südamerikaner reich.

Hier ticken die Uhren also anders, langsamer ...

In Brasilien habe ich bei einer Bankenkette gar den 30-Stunden-Tag entdeckt.

  

Die Menschen in Argentinien scheinen Zeit im Überfluss zu haben.


Von "Mañana" kann überhaupt keine Rede sein. Die Redwendung auf die Frage, wann etwas Versprochenes fertig ist, heißt: "La semana que viene" (= nächste Woche); in Realität kommen da aber viele Wochen!

"tranquilo" wird fast so häufig verwendet wie in Paraguay.

In diesem Punkt empfinden wir die interkulturelle Differenz am stärksten.

Noch in Europa hatten wir von der Anpassungsschwierigkeit an die Mañana-Mentalität gesprächen.

Wir bewundern die Geduld der Menschen beim Warten ...., und das muss oft. Trámites werden die Erledigungen, Geschäftsvorgänge, die Behördengänge genannt, für die immer Stunden, halbe und ganze Tage draufgehen. Ob bei Ämtern oder in der Privatwirtschaft spielt keine Rolle.

 

Wie oft werden wir nach der Zeit gefragt, weil die Menschen keine Armbanduhr tragen. In der Öffentlichkeit sieht man selten Uhren. Wir schauen ständig auf unsere und werden nervös.
  • Führerschein ausstellen lassen trotz aller vorliegenden Dokumente

1/2 Tag

  • Luftfracht vom Flughafen abholen

1/2 Tag

  • Einen Service bei Fibertel (Internetdienstanbieter) beantragen

1-2 Stunden

  • Sofa mit Leder beziehen lassen beim "ältesten und besten Polsterer in Belgrano"

8 Termine je ca 1 Std.

 

  • Bankkonto bei der HBSC eröffnen

12 Termine a 1-2 Stunden

  • Prüfungen im IES "Lenguas Vivas" haben zwar als Termin einen Tag, aber keine Stunde, so dass die letzten Prüflinge z.T. Stunden geduldig warten, bis sie dran sind.
  • U-Bahnen und Züge haben zwar Fahrpläne; es ist aber sinnlos, nach diesen Zeiten zu gehen; man steigt eben ein, wenn der überfüllte Zug kommt.

Der Gipfel war wirklich die HSCB! Obwohl als "Premier-Kunde" eine Art VIP, wurden immer wieder neue Hürden und neue Dokumente verlangt. Dabei war sehr schön das System der Problemdelegation nach unten und nach oben zu beobachten. Schließlich, als es soweit war, gab es die ernüchternde Auskunft, dass als Ausländer mit diesem Konto keine USD zu beziehen sind, was der erklärte Grund für die Kontoeröffnung war.

  • Vorgang der der Supermarktkasse

10-40 Min

  • Tanken

15-20 Min

Es gibt aber auch Vorteile dieser Mentalität: Niemand wird nervös, die Menschen stehen für den Bus und Zug schön englisch in Schlange an. Sie lassen einen eher vor als dass sie sich selbst vordrängten. An Türen bekommt man stets den Vortritt: "Pase!"

"Envio" (= Lieferung nach Hause) ist ein sehr angenehmer Service, ohne Einkaufsminimum und Aufpreis.

Ausgemachte Handwerkertermine (vormittags, nachmittags, abends - auch am Wochenende) werden meist seriös eingehalten.

  • Ein Ersatz für meine defekte Bildschirmbrille war in 30 Stunden gefertigt.

  • Die Toyota-Werkstatt arbeitet absolut schnell und seriös.

  • Der Portero (Hausmeister) wäscht das Auto für 20 Pesos.

  • Ein Computerspezialist nimmt sich stundenlang Zeit, Netzwerkprobleme zu passablem Preis zu lösen.

  • Das Internetbanking mit "pagomiscuentas.com" und "e-token", einem elektronischen TAN-Generator, ist höchst komfortabel.

Viele Gespräche über Zeit und Geld, damit über Wirtschaft und Soziales, machen immer wieder klar, dass der Kulturunterschied auch in den niedrigen Löhnen begründet liegt. So wird von den Unternehmen also stets die menschliche Arbeitskraft - auch wenn sie ein Vielfaches an Zeit braucht - der Investition in Maschinen vorgezogen:

© 2007 Michael SeegerHeide Walb, Buenos Aires, update 10.08. 2007  mail an organisator