Menschen und Lebensart

Was fällt dem Neuling aus Deutschland in diesem Land am ersten auf? Das ist sicher die unglaubliche Höflichkeit in vielen Situationen. Ob beim Einsteigen in den Bus oder in den Aufzug, wenn es eng wird, hört man in der Regel: „pase por favor“, was so viel heißt wie „bitte, nach Ihnen.“ Im Bus ist es fast selbstverständlich, dass man Älteren, Schwangeren oder Fahrgästen mit einem kleinen Kind Platz anbietet. Was besonders erstaunt: dass auch ganz viele junge Leute, also z.B. Schüler/innen auf dem Schulweg so handeln. Das hat man in Deutschland doch anders erlebt. Faszinierend sind auch immer wieder die disziplinierten Schlangen an den Bushaltestellen und am Zug. „Hacer cola“ können die Argentinier mindestens so gut wie die Engländer das „queuing“ beherrschen. Geradezu im krassen Gegensatz dazu steht das Verhalten der Autorfahrer. Hier werden keine Fahrbahnen eingehalten. Man kreuzt auf einer mehrspurigen Straße beliebig hin und hier – ohne den Blinker zu setzten – versteht sich. Autofahren wird hier zu absoluten Nervensache, wer bei diesem Fahrstil nicht mitmacht, gefährdet sich noch mehr, weil keiner damit rechnet, dass man so fährt, wie wir es in der deutschen Fahrschule gelernt haben.

 

Die Argentinier reden gerne, viel, laut und am besten alle durcheinander. Ein Schwätzenchen mit dem Portero oder dem Taxifahrer ist immer nett; sich über die kleinen und größeren Dinge des Lebens zu unterhalten, geht ganz leicht. Das ist vor allem für den Sprachanfänger praktisch, sich übers Wetter zu unterhalten, geht auch schon mit geringen Wortschatz. Viele Ausländer in Deutschland vermissen genau das und beklagen, dass man sich mit Deutschen erst unterhalten könne, wenn man die Sprache gut beherrsche.

Die wenigstens Menschen jammern, auch wenn es ihnen schlecht geht. Und das ist bei vielen zumindest ökonomisch der Fall, denn bei der galoppierenden Inflation sind die Hungerlöhne, die hier für einfache Tätigkeiten bezahlt werden, eigentlich nicht ausreichend, um zu leben. Der Portero an Heides Schule, der die Freundlichkeit in Person ist, sagte einmal: „Gut gelaunt und freundlich zu sein macht das Leben leichter, vor allem dann, wenn es schwer ist“.
Er muss täglich 13 Stunden arbeiten und am Wochenende auch, um halbwegs über die Runden zu kommen!!!! 

 

Eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist es auch, sich mit Freunden in einem der unzähligen und netten Cafés oder Restaurants zu treffen und zu plaudern.
Die Kaffeekultur ist hervorragend und wird sehr gepflegt. Der Kaffe ist von höchster italienischer Qualität, fast immer gibt es ein Glas Wasser und Kekse oder ein kleines Stückchen Kuchen dazu.

Sehr wichtig für die Argentinier ist die Familie. Da fühlt man ganz an die südeuropäischen Länder erinnert, wo der Familienzusammenhalt traditionellerweise auch noch groß ist und man an Sonn- und Feiertagen ganze Clans in Restaurants, am Strand, in  Parks oder sonst wo antrifft. 
Sehr mediterran ist im Sommer hier auch die Plaza-Kultur. Gerne sitzt man in den lauen Sommernächten in Straßencafés. Leider gibt es nicht so viele schöne Plazas wie zum Beispiel in Italien.

 

Die Argentinier oder zumindest die Porteños (die Einwohner von BsAs) sind Sonnenanbeter. Bei jeder möglichen Gelegenheit liegen sie in den kleinen Parks oder auf ihren Balkons in der Sonne. Freizeit signalisieren die Männer gerne mit nackten Oberkörper. Körperpflege und gutes Aussehen sind hier für eine große Mehrheit Pflicht. Man/frau ist gut gekleidet. Nirgends sieht man so viele Kleidergeschäfte und "salones de belleza" wie hier.

Schönheitsoperationen und Silikonlippen gehören bei vielen Mittel- und Oberschichtfrauen einfach dazu.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Präsidentin Cristina Kirchner.

© 2007-2008 Michael SeegerHeide Walb, Buenos Aires, update 15.08. 2008  mail an organisator